Es war einmal eine kleine Trompete.
Die hatte einen Klang, dem nichts auf Erden glich. Sie spielte eine Melodie, die niemand anderer spielen konnte, sonderbar und schön. In der Nacht, als die kleine Trompete ganz neu gebaut war, spielte sie zum allerersten Mal. Und ihre zarte Melodie schwebte hinaus unter den Sternenhimmel, sie glitt über Höhen und in Täler. Die Töne, die kaum zu hören waren, fanden einen Weg in die Herzen der Menschen, und sonderbare Dinge passierten: Tief drinnen in den Herzen der Menschen wurde es hell. Die Menschen fühlten sich nicht mehr allein.
Jedes Jahr in derselben Nacht spielte die kleine Trompete ihre Melodie. Schön, kaum hörbar. Aber es war sonderbar: Menschen auf der ganzen Welt hörten sie und freuten sich. Alle liebten die kleine Trompete und ihre Melodie.
Und so begann man den Tag zu feiern, an dem die kleine Trompete gebaut worden war und zum allerersten Mal ihre Melodie gespielt hatte. Zu Ehren der kleine Trompete schrieb man große Musikstücke, Symphonien, Opern und Operetten, Lieder, Balladen und Gesänge. Zu dem Fest wurden sie alle aufgeführt. Alle Instrumente der ganzen Welt versuchten die Melodie der kleinen Trompete zu spielen. Es war ohrenbetäubend, als sie dann alle gleichzeitig einsetzten. Auf den Plätzen der Städte standen mächtige Statuen der kleinen Trompete. Und in den Kaufhäusern verkleideten sich älteren Herren als Trompeten und spielten lustige Lieder für die Passanten. In den Kirchen trugen die Pfarrer Trompeten um den Hals und predigten, wie wichtig es ist, Trompete zu spielen für den Nächsten.
Die kleine Trompete, die so gerne ihren ersten Tag feierte, spielte immer noch ihre kleine Melodie, genau so, wie in der Nacht, als sie gebaut worden war.
Aber keiner hörte mehr ihre Töne. Und außerdem hatten die meisten schon lange vergessen, warum man eigentlich das Trompetenfest feierte.
Die wenigen, die sich noch an die kleine Trompete erinnern konnten, suchten nach ihr und versuchten ihre Melodie aus all der Musik herauszuhören. Aber es gelang ihnen nicht. Sie fanden nur Festgeräusche, Plastiktrompeten, Notenkekse und Flötenwürstel.
Als das jährliche Trompetenfest wieder einmal kurz bevor stand, beschloss die kleine Trompete, dieses Mal still zu bleiben und nicht einen einzigen Ton zu spielen. Stattdessen wartete sie auf eine andere Nacht. Es war eine Nacht, als die Welt ruhig und still war. Als die Menschen in ihren Betten schliefen und nicht auf Wunder warteten. Da spielte die kleine Trompete wieder ihre Melodie. Und die Melodie schwebte hinaus unter den Sternenhimmel, sie glitt über Höhen und in Täler. Die Töne, die kaum zu hören waren, fanden einen Weg in die Herzen der Menschen, und sonderbare Dinge passierten:
In den Träumen der Menschen wurde es hell. Die Menschen setzten sich in ihren Betten auf und glaubten etwas Bekanntes zu hören. Zarte Töne einer sonderbaren Melodie füllten sie mit dem merkwürdigen Gefühl, nicht alleine zu sein.
Per Gyllenör